In Anwesenheit des für den vermessungstechnischen Raumbezug zuständigen Abteilungsleiters Dr. Jörg Kurpjuhn (LVermGeo Rheinland-Pfalz) wurde dieser Schwerewert am 16. Oktober 2014 durch einen Gravimetrietrupp des Bundesamts für Kartographie und Geodäsie (BKG) unter der Leitung von Dr. Reinhard Falk ermittelt.
Fachlicher Hintergrund der Schweremessung in Lieg
Die Schaffung eines einheitlichen integrierten geodätischen Raumbezugs bis zum Jahr 2016 wird derzeit von der Arbeitsgemeinschaft der Vermessungsverwaltungen der Länder der Bundesrepublik Deutschland (AdV) mit Priorität vorangetrieben. Beim integrierten geodätischen Raumbezug werden die bisher im Wesentlichen noch getrennten amtlichen Bezugssysteme für Lage/3D, Höhe und Schwere zusammengeführt. Erst dadurch wird das volle Potential der modernen Vermessungsverfahren erschlossen und letztlich die Wirtschaftlichkeit der Koordinaten- und Höhenbestimmung für jedermann entscheidend verbessert.
Eine wesentliche und vollkommen neuartige Komponente des einheitlichen integrierten geodätischen Raumbezugs ist das sog. Geodätische Grundnetz (GGN). Bundesweit besteht das GGN aus ca. 1.000 Geodätischen Grundnetzpunkten (GGP), auf Rheinland-Pfalz entfallen rund 50 GGP. Die Punktabstände zwischen den GGP betragen höchstens 30 km. GGP besitzen millimetergenaue Koordinaten und Höhen sowie präzise Schwerewerte. In den GGP werden alle amtlichen Bezugssysteme und deren Realisierungen miteinander verknüpft. Außerdem sind die GGP Stützpunkte für das amtliche Quasigeoid der AdV.
Absolutschweremesskampagne 2014 in Rheinland-Pfalz
Die Schwerewerte der rheinland-pfälzischen GGP werden in einer landesweiten Messkampagne durch das Verfahren der Absolutgravimetrie ermittelt. Den Auftrag dazu hat das LVermGeo dem Bundesamt für Kartographie und Geodäsie (BKG) erteilt. Die Schweremesskampagne findet in der zweiten Jahreshälfte 2014 statt. Neben dem GGP Lieg werden dabei weitere 52 Punkte (sämtliche GGP sowie ausgewählte Schwerefestpunkte der 1. Ordnung) mit hoher Präzision bestimmt.
Messausrüstung und Messprinzip
Bei der Absolutschweremesskampagne 2014 kommt das Absolutgravimeter A10 des kanadischen Herstellers Micro-g LaCoste zum Einsatz. Es arbeitet nach dem Messprinzip des freien Falls eines Probekörpers in einer evakuierten Fallkammer. Die für die Bestimmung der Fallbeschleunigung notwendigen physikalischen Messgrößen Weg und Zeit werden durch einen stabilisierten Laser und ein Rubidiumnormal definiert. Durch die Messungen kann unmittelbar der absolute Betrag der Schwerebeschleunigung am Messpunkt bestimmt werden. Die Genauigkeit eines gemessenen Schwerewerts liegt bei 10 µGal, das entspricht beim Schwerewert der 7. Stelle nach dem Komma!
Das Absolutgravimeter A10 besteht aus zwei zylinderförmigen Komponenten. Die obere Geräteeinheit enthält die Fallkammer (Dropping Chamber), in der die Freifallmessung im Vakuum stattfindet. Ein Liftsystem transportiert den Probekörper dabei entsprechend der gewählten Messfolge nach oben und fährt dann beschleunigt nach unten, so dass der Probekörper über eine Strecke von 6 cm frei fällt und dann an der unteren Liftposition wieder aufgefangen wird. Die untere Geräteeinheit enthält u.a. ein Laserinterferometer zur hochpräzisen Wegmessung. Die reine Messzeit pro Punkt beträgt im Regelfall etwa ein bis zwei Stunden.
Erläuterung: Relative versus absolute Schweremessung
Das Standardverfahren der Schweremessung beim LVermGeo Rheinland-Pfalz ist die relative Schweremessung. Dabei werden mit einem Feder- oder Quarz-Gravimeter Schwereunterschiede zwischen Messpunkten beobachtet. Analog zur Vorgehensweise beim Nivellement lassen sich im Postprocessing aus gemessenen Schwereunterschieden absolute Schwerewerte für die Messpunkte berechnen. Die Auswertungen erfolgen mit (Datums-)Anschluss an das amtliche Schwerefestpunktfeld, wodurch sowohl Schwereniveau als auch Schweremaßstab festgelegt sind.
Seit einigen Jahren existieren feldtaugliche Absolutgravimeter, mit denen der absolute Betrag der Schwerebeschleunigung auf ausgewählten Punkten unmittelbar messtechnisch bestimmt werden kann. Absolutgravimeter basieren zumeist auf dem Messprinzip des freien Falls oder auf der Schwingungsdauer von Pendeln. Durch Vergleichsmessungen unter Anleitung des Internationalen Komitees für Maße und Gewichte (CIPM in Paris) wird gewährleistet, dass die mit einem Absolutgravimeter ermittelten Schwerewerte den internationalen Schwerestandard repräsentieren. Ergänzend sind Verbindungsmessungen zwischen den absolut bestimmten Schwerepunkten und den amtlichen Schwerefestpunktfeldern mittels Relativgravimetrie erforderlich.
Verfasser: Matthias Cieslack/Gerhard Berg